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Australien

Australien.... tausende Kilometer traumhafter Strände, riesige massive rote Steine und tödliche Tiere? Nach wochenlangen Diskussionen und angewandter Überredungskunst hat meine Mutter endlich zu meinem Traum, ein Jahr im Ausland, eingewilligt. Und dann ging alles so schnell und doch so langsam, Orientationwochenenden, Bewerbungsessays, alle 2 Sekunden Mails checken ob schon der erste Kontakt zu meiner neuen Familie besteht und mein Wohnort für das nächste Jahr vom großen Kontinenten Australien spezifiziert ist. Ein paar Wochen bevor es tatsächlich los ging entstand der erste Kontakt mit meiner ersten Gastfamilie. In den folgenden Wochen schrieben mein Gastbruder und ich ununterbrochen und ich erfuhr einiges über die Familie unter anderem dass ich in Newcastle, einer Küstenstadt nur zwei Stunden nördlich von Sydney leben werde. Die letzten Tage vor der Abreise waren chaotisch: Koffer packen, so oft draufspringen bis er zuging, sich von der Familie, Verwanden und Freunden verabschieden und noch ein letztes Mal den Lieblingsort aufsuchen. Am Flughafen war ich wahnsinnig aufgeregt und verabschiedete mich von meiner Tante meinen Großeltern und meiner Mutter die mich alle begleitet hatten. Nachdem ich die Sicherheitskontrollen hinter mir hatte und darauf wartete dass das Boarding begann war die ganze Nervosität verschwunden und eine immer größer werdende Vorfreude breitete sich in mir aus, die sich bis zur vier Stunden verspäteten Landung, immer weiter verstärkte und ein deutliches Prickeln in meinem Bauch auslöste. Als ich nun endlich in den Abholbereich des Flughafens trat wartete dort bereits meine neue Familie mit Luftballons und einem riesigen Plakat. Jetzt wurde mir so richtig bewusst ich bin da! Die ersten Tage waren super aufregend und ich fühlte mich ein bisschen wie ein kleines Kind das die Sprache noch nicht zu 100% versteht, für das alles neu aber super aufregend ist. Ich ging mit meiner Counsellorin Bethwyn shoppen, in die Schule um meine Fächer zu wählen und meine Schuluniform zu holen. An einem Tag waren wir sogar Koalas streicheln. Am Donnerstag war es dann so weit, ich hatte mein erstes Rotary-breakfast-Meeting und gleich danach mein erster richtiger Schultag. Das Meeting war fantastisch aber ganz anders als erwartet und aus deutschen Clubs gekannt. Die Mitglieder waren zwischen 18 und 60 Jahren bunt gemischt aber eines hatten sie alle gemein: sie waren unglaublich herzlich, aufgeschlossen und total begeistert mich kennen zu lernen. Erst einmal gab es tausend Umarmungen und Küsschen auf die Wange und dann begann das Meeting, ich durfte mich vorstellen und ein bisschen von mir erzählen, meine große Präsentation sollte erst ein paar Monate später sein. Ich lernte auch ein japanisches Mädchen kennen das bereits einige Monate im Club war. Nach dem Meeting wurde ich gebeten in Zukunft immer zu Beginn jeden Meetings ein paar Minuten von meiner Woche zu berichten und ich war sofort begeistert weil es ein Zeichen des Interesses des Club an meinem Austausch war. Auf dem Weg zur Schule wusste ich genau, dass dieser Club super ist. Auch im Laufe der nächsten Wochen freute ich mich auf jedes Meeting und darauf all die Mitglieder zu sehen mit denen ich mit ausgezeichnet verstand. Als ich in der Schule ankam wartete dort bereits meine Direktorin, ebenfalls eine ehemalige Austauschschülerin. Sie stellte mich meinen zwei ‚Buddys‘ vor, zwei Mädchen mit denen ich einige Kurse haben würden und dafür verantwortlich waren mir die Schule zu zeigen und dafür das ich auch tatsächlich in meine jeweiligen Klassen ankomme. Denn in australischen Higschools ist es üblich dass die Lehrer feste Klassenzimmer haben und die Schüler nach jeder Stunde den Raum wechseln. Außerdem stellt sich jeder individuell 6 Fächer zusammen. Das neue Schuljahr beginnt im Januar also machte ich das zweite Halbjahr der zehnten und das erste der elften, somit durfte ich gleich zweimal Fächer wählen und konnte somit richtig viel ausprobieren, denn die Fächer sind ganz anders als hier. Meine Fächer waren Tanz, Kochen, Drama Entertainment und vieles mehr. Außerdem sind alle Schüler an der Highschool und es ist nicht aufgeteilt in Gymnasium, Real-, und Hauptschule, aber die einzelnen Kurse sind in jedem Fach nach Leistung gestaffelt, somit sind immer Schüler des selben Levels zusammen und der durchgenommene Stoff ist ebenfalls verschieden je nach Niveau. Obwohl ich zum Beispiel im höchsten Mathekurs war hatte ich keine Probleme, da hier das deutsche Schulsystem deutlich voraus ist und ich somit eine Wiederholung meiner siebten Klasse bekam. Einen weiteren Unterschied bilden die ‚morning assamblies` bei denen sich alle Schüler vor der ersten Stunde um neun Uhr auf dem Pausenhof treffen und wichtige Durchsagen gemacht werden. Hier musste ich mich in meiner ersten Woche vor knapp 2000 Schülern vorstellen, was sich aber als sehr praktisch erwies, denn ich verlief mich zu Beginn oft und es war immer ein freundlicher Mitschüler da, der mir dann weiter half. Meine erste Schulwoche war total aufregend und alles ganz anders. Aber meine Mitschüler waren super nett und haben mich allen vorgestellt, der Lieblingssatz des Mädchens, das im Laufe des Jahres meine beste Freundin werden würde, war: „Do you know Julia, she’s German“. Auch die Sekretärinnen und allgemein viele Leute sprechen einen mit „sweetheart“, „honey“ oder derartigen Bezeichnungen an obwohl man sie noch gar nicht kennt, was aber total liebenswürdig ist. Auch das Schüler-Lehrer-Verhältnis ist ganz anders, viel freundschaftlicher, enger, vertrauter, aber trotzdem autoritär. Das Arbeitsklima und Notendruck kann aber trotzdem nicht mit Deutschland verglichen werden. Als ich meinen Freunden mal erzählt hatte das wir unsere Deutschschulaufgaben drei Stunden lang schreiben und auch da erst die Texte erhalten waren sie ziemlich überrascht, da die australischen Schüler die Texte deutlich früher erhalten und ihre Essays auch mehrmals mit dem Lehrer besprechen und korrigieren können bevor es zur Benotung abgegeben wird. Man darf das Ganze aber auch nicht unterschätzen denn in den meisten Fächern wird sehr viel Eigenarbeit erwartet und außerdem hat fast jeder Jugendliche einen Job neben der Schule. Viele arbeiten bei Maccas oder in Cafés für ein paar Stunden pro Woche. Gleich am Anfang wollten alle die neue Austauschschülerin kennen lernen und ich wurde zu vielen Partys eingeladen, auch von den Leuten aus dem Jahrgang über mir da diese auch mehr mein Alter waren, ich aber nicht in deren Jahrgang durfte da sie kurz vor ihrem Abschluss standen und im Unterricht nicht abgelenkt werden sollten. Ich hatte während und nach der Schule viel Spaß aber oft kannte ich die Leute nicht über die gerade geredet wurde und konnte mich deshalb nicht in jede Unterhaltung einbringen, umso mehr hat es mich dann gefreut als ich nach einigen Wochen immer öfter wusste um was es geht und auch der sprachliche Teil einfacher wurde. Oberflächliche Unterhaltungen wurden immer persönlicher, man wusste eine ganze Menge über seine Freunde, und sie auch über einen. Mit jedem Tag wurde meine Freundschaft zu meinem Squad enger, mit meinem Rotary Club war ich sehr vertraut (Jugendprogramme sind die größten Investition bei Rotary Australien), ich war bei jedem Meeting und half bei jedem Projekt, die anderen Austauschschüler die ich auch sehr oft sah wurde zu meiner Internationalen Familie und man hat sich nie alleine gefühlt. Auch das Verhältnis mit meinen Gastfamilien war klasse. Ich hatte insgesamt fünf Familien mit denen ich immer noch in engen Kontakt stehe und einige Planen bereits ihren Besuch in Deutschland. Meine Freizeit habe ich mit surfen, cheerleading, den Freunden am Strand oder im Shopping Center verbracht. Oft habe ich auch was mit meinen Familien unternommen und sie haben mir atemberaubende Orte gezeigt die ich als Tourist nie gesehen hätte. Die Zeit verging wie im Flug und je weiter ich dem Ende zu kam desto mehr schien sie mir davon zu laufen. Mit jedem Tag verliebte ich mich mehr in dieses wunderschöne Land mit so vielen Gegensätzen, die ich auf meiner Rotary Rundreise und verschiedenen Urlauben mit meine Familien gesehen hatte. Aber es ist nicht nur das trockene rote Landesinnere, die Strände und die Kängurus die ich jeden Morgen auf dem Weg zur schule sah, was mich faszinierte, und dem immer ein Teil meines Herzens gehört. Sondern auch der Aussie Accent im englischen und die unbeschreiblich offene, herzliche Art der Australier die man nicht verstehen kann bis man sie selbst erlebt hat. Und eben diese Art hat mein Jahr so besonders gemacht denn dadurch bin ich so vielen Menschen nahe gekommen, und ich habe gelernt dass nicht nur Genetik Menschen zu deiner Familie machen kann. Jedes Mal wenn ich in das Haus meiner Gastfamilie gekommen bin, hat es sich nach „nachhause kommen“ angefühlt. Nachdem nun fast ein Jahr vorbei war, versuchte ich all die Leute die mir nach all den Monaten so viel bedeuten, ein letztes Mal zu sehen. Noch ein letztes Mal am Strand schwimmen gehen, eine Rotary Abschiedsparty, eine Überraschungsabschiedsparty mit meinen Freunden und noch eine mit meinen Gasteltern. An meinem letzten Schultag haben alle noch meine australische Flagge signiert, die jetzt über meinem Bett hängt. Dann kam einer der schwersten Momente, ich musste mich von meinen besten Freunden verabschieden und wir alle weinten und lachten ein letztes Mal zusammen. Am nächsten Morgen am Flughafen musste ich mich dann unter Tränen von meiner Familie verabschieden, und mich zwingen in das Flugzeug zu steigen, dass mich weg bringen würde von dem Ort der in den letzten 12 Monaten mein Zuhause geworden ist. Jetzt sind knapp fünf Monate vergangen seit ich wieder hier bin, vieles hat sich verändert. Mit meinen Gastfamilien bin ich noch in engen Kontakt und auch mit meinen Freunden aus Australien schreibe und FaceTime ich fast jeden Tag. Aber auch mein Freundeskreis hier in Deutschland hat sich verändert, und bei Rotex findet man immer Freunde die die eigenen Erfahrungen verstehen. Australien ist ein ganz besonderes Land mit ganz besonderen Menschen, aber ganz egal wie viel man darüber schreibt, wirklich verstehen wird man es erst wenn man ein Teil davon geworden ist.
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Julia war 2014/15 in Newcastle, Australien (Distrikt 9670)